Interne Kommunikation: Zwischen Werte- und Informationsvermittlung
Transformation
Wenn Mitarbeiter:innen plötzlich mit Entscheidungen von oben konfrontiert werden, vor intern beschlossene Entwicklungen gestellt werden oder von Veränderungen über den Flurfunk erfahren, entstehen Unmut und Frust. Dabei hängen Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden, wie auch die persönliche Identifikation mit dem Unternehmen, stark mit der Qualität der internen Kommunikation zusammen.
Doch: Was soll ich als Führungskraft meinen Mitarbeitenden mitteilen? Wann muss ich kommunizieren? Und wie? Das sind Fragen, die sich so ziemlich jeder Unternehmensvorstand schon einmal gestellt hat. Und so ratlos man sich als Führungsperson dabei fühlen mag… die Unsicherheit ist vollkommen verständlich. Denn, egal wie lange wir studiert haben und wie kompetent wir in unserem Fachbereich sind, in die Kunst der Kommunikation wurden wir im Normalfall nicht eingeweiht. Und wer von uns hat zu Hause schon gelernt, wie man richtig, angemessen und im besten Umfang und Inhalt kommuniziert? Kaum jemand.
Der Nutzen für das Unternehmen
Wozu dient interne Kommunikation und was kann sie leisten. Diese drei zentralen Punkte fassen das zusammen:
Kommunikation und Wissenstransfer liegen vor, wenn Informationen im Unternehmen weitergegeben werden und die Mitarbeitenden über interne Entwicklungen auf dem neusten Stand gehalten werden
Dialog und Feedback entstehen, wenn die Mitarbeitenden nicht nur Informationen erhalten und diese passiv aufnehmen. Stattdessen erhalten sie die Möglichkeit nachzufragen, um ein tieferes Verständnis für Entscheidungen und Prozesse aufbringen zu können.
Motivation und Bindung ist das Ergebnis von erstens und zweitens und resultiert daraus, wenn sich alle eingebunden und informiert fühlen. Eine effektive und transparente Kommunikation sorgt für Motivation, höhere Leistungsbereitschaft bei den Mitarbeiter:innen und senkt durch die gestärkte Bindung eine mögliche Fluktuation.
„Ich glaube, dass sich interne Kommunikation in den letzten Jahren massiv gewandelt hat und es durch Corona noch mal einen Katalysator gab für die Frage: „Was ist in Zukunft wichtig bei der internen Kommunikation?“, weiß Thomas Voigt, Group Vice President Corporate Communications and Political Affairs bei der Otto Group. „Fast biblisch könnte man sagen: Information, Vernetzung und Wertschöpfen, also Werte vermitteln. Zunehmend wichtig wird das Thema Vernetzung, aber das wichtigste von den dreien heißt „Werte vermitteln“.
Haltung und Verhalten
Hier schließt sich die „Vorbildfunktion“ an. Die Geschäftsführung, der Vorstand, die Führungspersonen sind die Menschen, die das Bild des Unternehmens prägen und an denen sich die Mitarbeiter:innen orientieren. Stimmung, Zufriedenheit und Loyalität werden stark von oben nach unten geprägt und so geht weniger darum, lediglich Informationen nach unten weiterzugeben als einen wirklichen Zugang zu den Mitarbeitenden zu finden.
„Was wir als Führungskräfte in den letzten Jahren viel vor der Brust hatten und einige sicher noch haben, ist weniger eine Veränderung des Verhaltens, sondern viel mehr eine Änderung der Haltung“, erzählt Thomas Voigt. „Diese Haltung beginnt damit, dass ich die Kolleg:innen nicht als jemand betrachte, wo man schon vor dem Dialog davon ausgeht, dass diejenigen dümmer und beschränkter sind als man selbst. Es geht darum, wieder Neugierde zu wecken, neugierig auf das Andere zu sein. Wenn ich dem folge, gehe ich an Kommunikation nicht im Sinne einer Verlautbarung heran, sondern dann gehe ich mit der Neugierde heran, in einen Dialog treten zu wollen.“
"Kommunikation muss den Kern des Anlasses zum Vorschein bringen und sie darf nicht etwas sein, was mehr Schein ist."
Thomas VoigtGroup Vice President Corporate Communications and Political Affairs bei der Otto Group
Was die Vermittlung gemeinsamer Werte direkt einschließt. Eine Identifikation mit dem Unternehmen auf Wertebasis zu schaffen, funktioniert nicht mit Feel-Good-Filmchen, Tassen mit Sinnsprüchen im Corporate Design der Firma oder einer „Tschakka, wir schaffen das und unser Team ist spitze!“-Attitüde. Solch extrinsische Motivation ist meist nur vordergründig motivierend.
„Im Kern geht es darum, wirklich die Frage zu stellen, ob man als Unternehmen ein differenziertes Angebot und differenzierte Werte hat, und die auch wirklich gelebt werden“, so Thomas Voigt. „Das bedeutet, dass die Kommunikation authentischer und direkter werden muss und man das Gefühl hat, dass die Führungskräfte das auch leben. Kommunikation muss den Kern des Anlasses zum Vorschein bringen und sie darf nicht etwas sein, was mehr Schein ist.“
Steig in die Schuhe der anderen
Der erste Schritt für gute interne Kommunikation lautet daher: Steig in die Schuhe der anderen. Nimm einen Perspektivwechsel vor und versetze dich in die Situation deiner Mitarbeitenden. Solch ein Stakeholder-Mapping klärt in den meisten Fällen schnell und wirksam auch die eingangs genannten Fragen.
Möchte ein Unternehmen eine neue Strategie umsetzen oder plant eine Restrukturierung geht es im ersten Schritt darum zu gucken, welche Personengruppen es eigentlich gibt. Daraufhin sollte für jede Position folgende Frage beantwortet werden: Wie würde ich informiert werden wollen, wenn ich in der jeweiligen Funktion bin?
Ein:e Referent:in möchte anders informiert werden als eine Führungskraft und wiederum anders als ein:e Sachbearbeiter:in. Was brauchen die unterschiedlichen Parteien, um sich umfassend informiert zu fühlen, was ist für sie wichtig und auf welche Weise möchten sie das erklärt bekommen? Wer es schafft, sich sinnbildlich in die jeweils anderen Schuhe zu begeben und sich in die Situationen einzufühlen, versteht besser, welche Schritte nötig sind.
Ein Reflexions-Tool für effiziente Kommunikation ist zum Beispiel dieser Golden Circle:
Warum machen wir das? — Warum jetzt? — Warum ist das relevant für mich?
Eine Entwicklung kann noch so spannend für das Unternehmen sein — die Mitarbeitenden brauchen die für sie relevanten Informationen, was das mit ihnen selbst zu tun hat. Die Beantwortung des Golden Circle (interpretiert nach Simon Sinek) schafft eine Grundlage, die verschiedenen Personen zielgerecht anzusprechen.
Mitarbeiterzeitung oder App?
Sind die Zielgruppen und das Warum bekannt, schließt sich die Frage des Wie an. Welche Kanäle nutze ich für die Informationsvermittlung? Hier ist es wichtig, zu überlegen, wo sich das Unternehmen in den nächsten Jahren hin entwickeln will und gleichzeitig, welche Kommunikationsmittel die Mitarbeitenden intuitiv beherrschen. Eine Standardantwort gibt es hier nicht.
„Wenn sich das Unternehmen auf die Fahnen geschrieben hat, in den nächsten fünf Jahren das digitalste Maschinenbauunternehmen Deutschlands zu werden, dann ist es nicht so schlau mit einer gedruckten Mitarbeiterzeitung um die Ecke zu kommen. Denn das würde total konträr zu meiner Strategie laufen, egal wie toll das vielleicht mein interner Kommunikator findet“, so Andrea Montua. „Wenn ich aber eine Organisation habe, die noch nie interne Kommunikation gemacht hat und 80 Prozent der Leute im gewerblichen Bereich hat, dann ist das vielleicht das Social-Intranet von heute auf morgen auch nur eine semi-schlaue Idee. Weil keiner weiß, wie er da reinkommt und auf welchem Endgerät er das machen soll.“
Doppelt hält besser
Gleichzeitig spielt die Psychologie des Lernens in die Informationsverbreitung hinein. Je mehr Kanäle bei der Informationsaufnahme angesprochen werden, desto besser wird die Information behalten. Das bedeutet für das Unternehmen, dass eine Botschaft auf unterschiedliche Art und Weise und in verschiedenen Medien gespielt werden darf und sogar sollte. Natürlich ist es wichtig, die Nachricht unterschiedlich zu verpacken. Zum Beispiel einmal als Interview mit dem Vorstand, dann in einer kurzen Nachricht aus einem Townhall-Meeting oder einer kurzen Info im Intranet. Dabei schafft es Konsistenz, die gleiche Art von Information jeweils über die gleichen Kanäle zu verbreiten.
„Die Mitarbeitenden sollen gar nicht merken, dass der gleiche Inhalt auf verschiedenen Ebenen zu ihnen kommt, damit sie die Info nachher kennen. Das ist so ein bisschen positive Manipulation“, erzählt Andrea Montua. „Solch ein Wissen ist für Führungskräfte total wichtig, weil die sonst nach dem zweiten Mal sagen: ‚Also, das ist nicht Ihr Ernst. Ich spiele das jetzt nicht ein drittes Mal hier rein, also wirklich nicht.“
Hier eine Auswahl an Verbreitungsmöglichkeiten
Pull-Instrumente — der Empfangende bekommt die Info zugespielt:
Newsletter
Chats und Instant Messaging-Tools
Videokonferenzen
Meetings
Webinare
Mitarbeiter:innen-Apps
Push-Instrumente — der Empfangende holt sich die Info selbst:
Intranet oder Wiki
Videos
Social Media
Blog
Chatbots
Schwarzes Brett
Mitarbeiter:innen-Zeitung
Je mehr Partizipation, desto besser
Schon die Lernpsychologie zeigt, dass etwas, das wir selbst erarbeitet haben, länger im Gedächtnis bleibt und wir es besser verstehen. Im Beruf stärkt die Mitarbeiter:innen-Einbindung die Identifikation mit dem Unternehmen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen: Je mehr Partizipation, desto besser.
In Firmen mit vielen Angestellten lässt sich das beispielsweise durch Workshops oder Fokusgruppeninterviews lösen. Wichtig ist jedoch, dass auch etwas mit den Aussagen oder erarbeiteten Inhalten passiert. Eine lediglich formale Partizipation ohne Berücksichtigung der Ergebnisse wirkt sich frustrierend und kontraproduktiv auf das Firmenklima aus.
Einstieg in die Kommunikation
Um sich ein Basiswissen für Kommunikationsprozesse anzueignen, ist ein Workshop für die Unternehmensleitung ein guter erster Schritt. Hier werden Strategien und Grundlagen vermittelt und eine Sensibilität für das Thema geschaffen. Ein klassisches Learning solcher Workshops ist beispielsweise folgendes: Leitbilder sollten nicht von oben entschieden und dann per gesprochenem Wort herunter kaskadiert, sondern erarbeitet werden. Ebenso sollten einseitige, verspätete oder widersprüchliche Informationen unbedingt vermieden werden.
„Ein Workshop ist eine gute Basis, um überhaupt mit diesem Thema in Kontakt zu kommen. Der erste Schritt ist ja zu wissen, dass man nichts weiß“, so Andrea Montua. „Dann hat man nämlich so eine Demutshaltung, dass man denkt ‚Vielleicht frage ich mal nach‘. Wer meint ‚Ich weiß das alles‘, geht ja davon aus, alles richtig zu machen.“
Wer sich professioneller aufstellen möchte, sollte Unterstützung hinzuziehen. Besonders in spontan auftretenden Situationen, wenn eine schnelle Entscheidung gefragt ist, kann eine:r geschulte:r Kommunikator:in einigen Stress abfangen und souverän die nächsten Schritte abwägen. Gleichzeitig führt eine unterstützende Person immer zu mehr Sicherheit im Prozess.
"Wer meint ‚Ich weiß alles‘, geht ja davon aus, alles richtig zu machen."
Fazit: Vier wesentliche Faktoren für die interne Kommunikation
1. Führungskräfte als Schlüsselfiguren
Egal ob geführte Veränderung oder Krise. Die Führungskräfte befinden sich in beiden Situationen in Schlüsselpositionen und sollten über alle Entwicklungen immer vorab informiert werden. Wenn ein:e Mitarbeiter:in mit der Frage „Können Sie mir das erklären?“ in der Tür steht, muss die Führungsperson, Bescheid wissen und souverän reagieren können.
Dazu kommt die Vorbildfunktion der Teamleitenden: Die Mitarbeitenden orientieren sich am Verhalten ihrer Vorgesetzten. Sie gucken sich an, wie diese kommunizieren und Themen angehen. Wie und wann sagen sie etwas und warum? Fühle ich mich gut informiert, gehört und eingebunden?
Es trägt also entscheidend zum Erfolg des Unternehmens bei, bei den Führungskräften ein Bewusstsein für ihre Rolle in den Kommunikationsprozessen zu schaffen.
2. Einfach mal nachfragen
Wer seine Zielgruppen und deren Bedürfnisse kennt, kommuniziert effizienter und zielgerichteter. Dafür lohnen sich einfache Fragen wie diese: Was braucht ihr? Was wünscht ihr euch? Was läuft gut? Was läuft nicht gut?
So lässt sich feststellen, ob das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist bzw. wie es diesen verbessern könnte. Ebenso zeigt sich, ob möglicherweise große Unzufriedenheit herrscht und einige Dinge noch einmal überdacht werden sollten.
3. Sinnvolle Vielfalt
Eine möglichst große Vielfalt in der kommunikativen Ausspielung ist gut und sollte gleichzeitig durchdacht sein. Hier kommt es drauf an herauszufinden, mit welchen Medien die Mitarbeiter:innen vertraut sind und sich daran anzupassen.
Bei einer jungen Mitarbeiterschaft ist eine gedruckte Mitarbeiterzeitung wenig geeignet. Stattdessen bieten sich Kanäle an, in denen sie sich regelmäßig bewegen wie, Apps oder Multimediaangebote.
4. Relevanz entsteht im Titel
Die Entscheidung, ob etwas relevant ist, treffen die Mitarbeitenden relativ weit vorne. Schon beim Lesen der Überschrift bzw. den ersten Sätzen der Nachricht stellt die jeweilige Person fest, ob die Information einen persönlichen Bezug zu ihr hat und ob sie die Grundbotschaft versteht.
Oft verwenden Vorstände viel Zeit darauf, einen Text bis ins letzte Wort elegant und rund zu formulieren. Dabei besteht allerdings das Risiko, dass sie die Mitarbeitenden aus dem Fokus verlieren. Diese wollen in erster Linie verstehen, warum die Information für sie wichtig ist und was sie damit machen sollen.